Die American Academy of Pediatrics empfiehlt Kindern zwischen 6 bis 16 Jahren mindestens 4 Stunden pro Tag Bewegung im Freien.
In der Realität melden Eltern ihre Kinder bei einer einzigen Sportart an, welche sie in der Regel 2x die Woche ausüben und an den Wochenende noch zusätzlich einen Spieltag haben. An den anderen 4 Tagen sitzen die Kinder nach der Schule an Computer und Handy. Die Begründung der Eltern: Kinder haben keine Zeit, weil ihr „Programm“ so voll ist. Liegt es tatsächlich an der mangelnden Zeit oder an der mangelnden Motivation der Eltern, die Freizeit der Kinder zu gestalten?
Auf der anderen Seite melden ehrgeizige Eltern ihre Kinder in eine einzige Sportart an und erwarten große Leistungen.Doch wie sinnvoll ist eine einseitige Ausbildung bei den Kindern hinsichtlich sportliche Entwicklung? Gilt hier das Klavierspieler-Prinzip: je mehr du am Klavier spielst, desto besser wirst du?
Sportarten im Kindesalter möglichst breit aufstellen
Kinder können von der Ausübung einer großen Palette von Sportarten stark profitieren, unterschreibt Mathieu Belanger von der Universität Sherbrooke. Außerdem betont er: „Durch die Ausübung von mehreren Sportarten im Kindesalter, wird ein breiteres Feld von Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt“ (Gallant et al. 2017).
In einer US-Amerikanischen Studie wurden 756 Kinder zwischen 10 und 11 Jahren in die Stichprobe aufgenommen. Diese mussten 5 Jahre lang alle 3 Monate einen Fragebogen ausfüllen. So sollte festgestellt werden, welche Sportarten in den vergangenen 3 Monaten ausgeübt wurden.
Man kam zu dem Ergebnis, dass Kinder, die viele und unterschiedliche Sportarten zu Beginn der Studie ausgeübt haben, eine 55 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit hatten, dass sie sich 5 Jahre später weiterhin sportlich betätigen. Diese Gruppe wurde mit Kindern verglichen, die entweder keine Erfahrungen im Sport hatten oder die sich bereits in einer frühen Phase auf eine bestimmte Sportart spezialisiert hatten.
Kinder, die im Alter zwischen 6 bis 13 Jahren eine einzige Sportart 2x die Woche ausgeübt haben, verlieren ihr Interesse innerhalb diesen Jahren an der Sportart. Oft kommt es hier zu dem Problem, dass sich die Kinder nicht trauen, ihren ehrgeizigen Eltern mitzuteilen, dass sie auf ihre Sportart keine Lust haben. Der Sport wird zu wettkampforientiert, der Erfolg steht im Vordergrund und nicht der Spaß. Anders kann es auch aussehen, wenn die Sportart mittlerweile uninteressant für das Kind ist.
Spätestens in der späten Pubertät wird rebelliert. Der Jugendliche hat keine Alternativsportarten und hört letztendlich ganz mit Sport auf.
Eltern sollten den Sport für Ihre Kinder langfristig planen
Die Konsequenz ist also: Der beste Weg, um ein Kind dazu zu bringen langfristig Sport zu treiben ist, dass man in der Vergangenheit als Elternteil gut vorausgeplant hat. Das war zumindest die Empfehlung der oben genannten Studie, welche die These unterstützt: Wenn eine Person in ihrer Kindheit (5-9 Jahren) eine große Palette von Sportarten ausprobiert hat, dann wird es in Zukunft, als Jugendliche und Erwachsene, einen besseren Zugang zur Sportwelt haben. Eltern sollten mit ihren Kindern eine druck- und stressfreie Kommunikation herstellen, sodass sich Kinder bestenfalls bereits vor dem Eintreffen der Pubertät auch zu ernsteren Themen, wie etwa zur Haltung zum betriebenen Sport, äußern dürfen.
Bewegt sich ein Kind im frühen Alter in einem sehr engen sportlichen und stark wettkampforientierten Rahmen, besteht auch die Gefahr, dass sich das Kind im Alltag geschwächt oder durch den externen Druck sehr gestresst fühlt (Brenner et al., 2019 ).
Welche Probleme tauchen auf, wenn das Kind nur eine Sportart ausübt?
Im Leistungssport spricht man bei Kindern von frühzeitiger Spezialisierung. Diese wird durch intensives, regelmäßiges (bis zu 5x die Woche!) und zielgerichtetes Training einer Sportart über das ganze Jahr gekennzeichnet – vor Eintreffen der Pubertät. Man kann also nicht von einer Spezialisierung sprechen, wenn nur 2x die Woche trainiert wird.
Häufige Probleme bei einer frühzeitigen Spezialisierung sind Überlastung, Übersättigung. Es werden immer wieder dieselben Muskelgruppen angesprochen, wodurch andere stark vernachlässigt werden – das Verletzungsrisiko steigt, wenn kein ausgleichendes Training angeboten wird.
Dazu werden elementare koordinative Fähigkeiten vernachlässigt, weshalb die Bandbreite der Bewegungsmuster kleiner wird – das wirkt sich zwar nicht kurzfristig auf den Sportler aus, in längerer Sicht kann das aber zu Defiziten (schlechtere Trainierbarkeit / schwierigers Lernen von neuen Bewegungsformen) führen.
Ab wann spezialisieren?
Doch ab wann dürfen Kinder sich in einer Sportart spezialisieren, wenn sie Höchstleistungen erbringen möchten? Jayanthi et al. (2019) zufolge ist eine Spezialisierung ab 12 Jahren durchaus sinnvoll.
Andere Studienergebnisse deuten darauf hin, dass späte (ab der Pubertät) Spezialisierung zu erfolgreicheren Spitzenleistungen als Erwachsener führt (Moesch et al., 2011).
Es mag paradox klingen ist aber eine Tatsache, dass Teilnehmer der olympischen Spiele und andere Spitzensportler mehrere Sportarten in ihrer Kindheit ausgeübt haben. Auch weltbekannte Sportikonen wie Michael Jordan oder Usain Bolt haben in ihrer Kindheit mehrere Sportarten regelmäßig ausgeübt (Liste von Multi-Sport Athleten).
Kinder können in intensiven Trainingsphasen durchaus Spaß haben, allerdings sollten Eltern hier vorsichtig sein. Sie und insbesondere auch Trainer müssen Zeichen von Erschöpfung erkennen und entsprechend reagieren (längere Regenerationsphasen anbieten etc.). Dies kann sich beispielsweise durch Schlafstörungen, einem geschwächten Immunsystem, aber auch durch Stimmungsschwankungen beim Kind bemerkbar machen.
Komplementäre Sportarten anbieten
Auch wenn das Kind den Wunsch hat, nur eine bestimmte Sportart auszuüben, sollten Eltern dem Kind weitere, komplementäre Sportarten anbieten. Diese ergänzende Sportarten dienen als Ausgleich für die Seele und den Körper des Kindes. Für die Seele deshalb, damit das Kind eventuell aus einer Monotonie oder aus einem leistungsorientierten Umfeld heraus kommen kann.
Für den Körper deshalb, weil die einseitige Belastung durch andere Sportarten gut ergänzt werden kann. Aber auch weil andere Sportarten bestimmte koordinative Fähigkeiten fördern, die einem in der Hauptsportart eventuell nützen werden, um das Verletzungsrisiko zu minimieren oder etwa eine neue Fertigkeit zu erlernen.
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