Kinder und Medien: der Ratgeber für Eltern

In einer Welt, in der Medien allgegenwärtig sind, kann es für manche Eltern überwältigend sein, sich an Richtlinien hinsichtlich Mediennutzung für Kinder zu halten.

Eltern fehlt häufig das Wissen zum Thema Medien und Kinder. Wie viel Mediennutzung ist für Kinder zu viel? Ist jede Mediennutzung negativ oder gibt es auch Medien, die sich positiv auf die Entwicklung der Kinder auswirken? Kann exzessive Mediennutzung zu langfristigen psychologischen und gesundheitlichen Auswirkungen führen?

Wir sagen hierzu vorab: die Wissenschaft tut sich schwer, 100% gültige Richtwerte zu nennen, da viele Faktoren eine Rolle spielen. Dennoch gibt es Punkte, bei denen sich viele Studien einig sind.

Dieser Artikel bietet eine Übersicht über den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Thema Mediennutzung bei Kindern und bietet Handlungsempfehlungen für Eltern und Erziehungsberechtigte.

Als Medien werden in diesem Artikel Mittel bezeichnet, bei denen Kinder mit Bildschirmen beliebiger Größe (Smartphones, PC-Monitor, Fernseher, Computer, Kino etc.) interagieren (Fernsehen/Youtube-Videos, Internet-Surfen, Social Media, App-Nutzung, Gaming).

Medienkonsum und Kinder – wieviel Zeit verbringen sie an den Bildschirmen?

Kinder unter 2 Jahren verbringen zirka 1 Stunde am Tag an Bildschirmen, während es bei Kindern zwischen 2 und 8 Jahren in der Regel 2 Stunden am Tag sind (V. J. Rideout, 2013).

Kinder zwischen 6 und 12 Jahren verbringen zirka 4 bis 6 Stunden pro Tag an Bildschirmen. Pubertierende über 12 Jahren bereits zwischen 7 bis 9 Stunden pro Tag (Media, 2011; V. Rideout, 2016).

Fernsehen bleibt weiterhin die am meisten genutzte Plattform für Kinder, um Medien zu konsumieren. Gaming wie auch Smartphone-Nutzung gewinnt auch bei Schulkindern an Bedeutung.

Gibt es gute und schlechte Medien für Kinder?

Eine große Herausforderung in der Wissenschaft ist es einzuschätzen, ob und welche Medien einen positiven Einfluss auf Kinder haben. Und welche die Kinder von Aktivitäten abhalten, die sich auf die Kinder positiv auswirken.

Programme, die einen Mehrwert bieten, haben den Fokus auf Bildung und Lernen. Besonders, wenn Eltern mit zuschauen und im Anschluss mit den Kindern über das Programm diskutieren, können Medien durchaus einen positiven Einfluss auf das Kind haben (Santomero, 2018). Durch die Anwesenheit gelingt es Eltern den Medienkonsum besser hinsichtlich Qualität und Nutzungsdauer einzuschätzen.

Schlechte Medien sind diejenigen, die Kinder süchtig, unruhig und unzufrieden (wenn das Medium nicht konsumiert werden darf) machen. Diese Medien belohnen ständig und haben das Ziel, die Kinder an ihre Stühle zu fesseln. Es sind Medien, die ständige Aktion bieten; Bilder bewegen sich sehr schnell und es wird häufig und schnell von einem Abschnitt zum anderen gesprungen. Im Gaming bekommt man kleine Aufgaben und wird anschließend belohnt („toll, du hast die neue Etappe entsperrt“).

Der Körper der Kinder ist nicht dafür gedacht stundenlang zu sitzen. Intensiver Medienkonsum zwingt Kinder häufig zu einer schlechten Körperhaltung. Insbesondere bei Smartphone-Nutzung und beim Gaming ist dies der Fall.

Auswirkungen von Mediennutzung auf die Gesundheit der Kinder

Die Kindheit ist eine Periode, in der sich das Gehirn rasant entwickelt.

Diese Phase ist mit einer Vielzahl von Entwicklungen im kognitiven (Signale aus der Umgebung wahrnehmen und verarbeiten), sowie auch im Bereich der Selbstregulation (wie gut man Aufmerksamkeit, Emotionen, Impulse und Handlungen steuert) verknüpft.

Die Wissenschaft warnt, dass exzessive Mediennutzung zu Problemen mit der Aufmerksamkeit von Kindern führen kann – allerdings sind die Ergebnisse nicht eindeutig.

Smartphone-Nutzung und gleichzeitige Nutzung von mehreren Medien, wurde mit schlechter kurzfristiger Aufmerksamkeit bei Kindern assoziiert – langfristige Konsequenzen sind aber unbekannt (Wilmer, Sherman & Chein, 2017).

Exzessive Mediennutzung bei Kindern hängt mit weiteren unerwünschten gesundheitlichen Auswirkungen zusammen:

Bei Social Media Plattformen, die auf Feedback (z.B. „Likes“) basieren, werden Belohnungsareale im Kindes-Gehirn aktiviert (Wilmer et al., 2017), allerdings hat dies nur einen schwachen Zusammenhang mit negativem psychologischem Wohlbefinden (Huang, 2017).

Starke Smartphone-Nutzung führt aber zu Präferenzen für kleine, sehr schnelle Belohnungen (Hadar, Eliraz, Lazarovits, Alyagon & Zangen, 2015) – „cool, er hat mein Bild geliked – ich poste gleich noch eins“ – dieses Verhalten ist nicht erstrebenswert, da die Anforderungen des Alltags komplett andere sind als die der Social Media Kanäle, wie etwa sich beharrlich bemühen, um sich z.B. im Sport zu verbessern.

Empfehlungen für Eltern

Die American Academy of Pediatrics (AAP) hat Richtlinien für die Mediennutzung für Kinder veröffentlicht. Zusammengefasst sehen die Empfehlungen wie folgt aus:

  • Unter 2 Jahren: Mediennutzung vermeiden – Video-Chat ist mit Ausnahmen erlaubt – wenn etwa Großeltern weit weg leben.
  • Kinder im Vorschulalter: nicht länger als 1 Stunde qualitativer Mediennutzung pro Tag. Allerdings sollte es vermieden werden, sie alleine Medien konsumieren zu lassen.
  • Schüler: vermeiden, dass Medien andere wichtige Aktivitäten negativ beeinflussen, wie qualitativen Schlaf, regelmäßige Bewegung, Essen mit Familie, medienfreie Zeiten zum Phantasieren, Entdecken und Kreieren.

Für jedes Alter gilt:

Mediennutzung kann man auch nur regulieren, wenn gewisse Werte innerhalb der Familie bei Kindern ankommen, wie z.B. dass es wichtig ist, abends gemeinsam zu essen.
Eltern sind Vorbilder, und Mediennutzung bei Kindern hängt stark davon ab, wie sich die Eltern verhalten (Jago et al., 2012).

Digitale Überwachung (z.B. über Apps, welche die Nutzungsdauer und die genutzten Apps anzeigen), kann helfen, das Ausmaß an Mediennutzung bei Kindern einzuschätzen – dies kann aber je nach Alter des Kindes und Eltern-Kind-Beziehung zu Problemen hinsichtlich der Privatsphäre führen.

Erkenntnisse zeigen auch, dass eine Co-Mediennutzung aus Elternseite vorteilhaft sein kann (Coyne et al., 2017). Man schaut also beispielsweise zusammen mit dem Kind eine kurze Sendung und hat so über den Inhalt und die Dauer eine bessere Kontrolle.

Wichtig ist hier auch zu erwähnen: wenn Eltern Mediennutzung bei Kindern limitieren (indem sie z.B. keinen Fernseher in das Kinderzimmer stellen), werden tatsächlich weniger Medien konsumiert.

2 Stunden vor dem Zubettgehen eine medienfreie Zeit schaffen, wirkt sich positiv auf den Schlaf aus.

Wenn Medien konsumiert werden, dann bewusst – dies ist z.B. beim Zappen am Fernseher nicht der Fall.

Grundsätzlich ist ein Plan notwendig, der bestimmte Fragen definiert, wie z.B.
wann darf das Kind Medien nutzen und welche Inhalte sind OK? Gibt es medienfreie Tage?

Dieser Plan kann allerdings nur umgesetzt werden, wenn ausreichende Alternativen wie z.B. Sport oder freies Spielen in der Natur ermöglicht werden.

Schlusswort

Kleinkinder entwickeln sich am besten, indem sie mit anderen Personen, wie den Eltern oder anderen Kindern interagieren. Indem sie die Natur entdecken. Indem sie sich in ihrem Tun selbst organisieren dürfen und eigene Spielregeln entwickeln. Indem sie beginnen ihre Körper wahrzunehmen. Indem sie ihre Fähigkeiten testen und ihre Grenzen erfahren.

Referenzen

  • AAP. (2016). Media and young minds. Pediatrics. http://doi.org/10.1542/peds.2016-2591.
  • Coyne, S.M., Radesky, J., Collier, K.M., Gentile, D.A., Linder, J.R., Nathanson, A.I., … Rogers, J. (2017). Parenting and digital media. Pediatrics. http://doi.org/10.1542/peds.2016-1758N
  • Hadar, A.A., Eliraz, D., Lazarovits, A., Alyagon, U., & Zangen, A. (2015). Using longitudinal exposure to causally link smartphone usage to changes in behavior, cognition and right prefrontal neural activity. Brain Stimulation. http://doi.org/10.1016/j.brs.2015.01.032
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  • Jago, R., Stamatakis, E., Gama, A., Carvalhal, I.M., Nogueira, H., Rosado, V., & Padez, C. (2012). Parent and child screen-viewing time and home media environment. American Journal of Preventive Medicine. http://doi.org/10.1016/j.amepre.2012.04.012
  • Media, C.S. (2011). Zero to eight: Children’s media use in America. Common Sense Media.
    Mills, K.L., Goddings, A.L., Herting, M.M., Meuwese, R., Blakemore, S.J., Crone, E.A.
  • Tamnes, C.K. (2016). Structural brain development between childhood and adulthood: Convergence across four longitudinal samples. NeuroImage. http://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2016.07.044
    Rideout, V. (2016). Measuring time spent with media: The Common Sense census of media use by US 8- to 18-year-olds. Journal of Children and Media. http://doi.org/10.1080/17482798.2016.1129808
  • Rideout, V.J. (2013). Zero to eight: Children’s media use in America 2013. .
    Santomero, A. (2018). Preschool Clues. New York: Touchstone.
  • Wilmer, H.H., Sherman, L.E., & Chein, J.M. (2017). Smartphones and cognition: A review of research exploring the links between mobile technology habits and cognitive functioning. Frontiers in Psychology. http://doi.org/10.3389/fpsyg.2017.00605
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